Streit mit Schlossherrschaft und Bischöflichem Ordinariat
Freiherr von Berchem verharrte auf dem Standpunkt, wenn der Benefiziat Messe lese, dann habe er sie in der Schlosskapelle St. Georg zu lesen. Schlicht aber, gestützt auf das Wissen seines Vorgängers Leonhard in Oberalteich wie von Pfarrer Pentner, „hielt sich für berechtigt, nach eigenem Gutdünken dort zu zelebrieren, wo er wollte, und war deswegen jederzeit bereit, seelsorgliche Aushilfe zu leisten, ohne seinen Patronatsherrn zu fragen“. Er las jeden Sonntag pflichtgetreu im Schloss die Messe, auch wenn er dann zu einer Predigt bei einem Bruderschafts- oder Kirchweihfest fort musste. Und er hatte dazu drei triftige Gründe: Allzuoft, ehe der Streit begann, hatte er in der Schlosskapelle vor fast leeren Stühlen zelebriert. Noch entscheidender schien ihm aber, dass sich im Pfarrarchiv Unterlagen fanden, aus denen hervorging, dass der Kaplan am Montag und Samstag in der Friedhofskapelle, in der Schlosskapelle aber alle Mittwoch und Freitag die ewige Mess zu persolvieren hatte.
Solche Freiheit kam schließlich auch seinen Überzeugungen von seelsorglicher Pflicht und seinem Geldbeutel zugute; denn die Honorare für seine Artikel und Bücher läpperten sich nur sehr kleinweise zusammen. Für eine Schilderung der Weihnacht erhielt er rund sechs Gulden, der Artikel über den Seniorbauern brachte ihm zehn Gulden, einen Gulden brachte ihm eine Buchseite. Und wenn er auch für die Aushilfe beim Bruderschaftsfest nur drei Gulden bekam, die Pfarrer von Steinach und Münster waren ihm dankbar für seine Hilfe.
Als gütliche Auseinandersetzungen zu keinem Ziel führten, wandte sich Baron von Berchem beschwerdeführend an die kirchliche Oberbehörde nach Regensburg. In ziemlich deutlicher und kräftiger Sprache erinnerte nun diese unseren Schlicht an seine Obliegenheiten in der Schlosskapelle und verbot ihm, anderswo als dort die Messe zu lesen ohne Zustimmung des Schlossherrn. Schlicht glaubte, das Ordinariat sei ihm feindlich gesinnt, aber zu Unrecht. Auch gegen den Adel war er nun verbittert.
Schlicht muss eine wahre Wut gepackt haben, nachdem das Ordinariat einseitig zugunsten des Schlossherrn entschieden hatte, ohne die Quellen zu prüfen; denn trotz der vielen Arbeit stürzte er sich nun in ein jahrelanges Studium der Urkunden, wie die Notizen in seinen Taschenbüchern zeigen. Sigl meint: „Seiner Rechtfertigung verdanken wir die ‚Geschichte von Steinach’, die er zunächst und zu Lebzeiten des Barons noch in den Unterhaltungsbeilagen des ‚Straubinger Tagblatts’, dann in den Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern und schließlich in gekürzter Form als Buch veröffentlichte“.
Schlichts Forschungen in den von ihm entdeckten Steinacher Schlossurkunden führten zu dem oben dargestellten Ergebnis über die Aufgaben des Schlossbenefiziaten. Schlicht hatte sich mit seinen vier Messen während der Woche haargenau an die Stiftung der ewigen Messe gehalten, nicht aber der Schlossherr und auch nicht das Ordinariat. Sigl meint, dass ohne dieses persönliche Interesse seiner Rechtfertigung der Impuls des Obristen Herwart von Bittenfeld zur Steinacher Geschichtsforschung im Sande verlaufen wäre.
Baron von Berchem scheint sein Unrecht eingesehen zu haben. 1880 ließ er die Schlosskapelle „reich und kunstprächtig“ nach den Plänen von Domvikar Dengler restaurieren. Der Bischof selbst kam zur Neueinweihung.
Schlicht und August von Schmieder
Der Besitzer des Puchhofs, Carl von Lang, erwarb Steinach für zwei Jahre. 1901 wurde dessen Freund und späterer Schwiegersohn Dr. August von Schmieder Eigentümer des Steinacher Schlossguts. Damit brach – nach Sigl – für Schlicht, Schloss und Gut eine glücklichere Epoche an; denn mit dem neuen evangelischen Schlossherrn lebte Schlicht in bestem Einvernehmen, was nicht zuletzt auch ein Verdienst des Gutsverwalters Ludwig Niggl war. „Dr. von Schmieder ließ seinem Schlossbenefiziaten das, was er brauchte, volle Freiheit und Unabhängigkeit; das oben erwähnte Verbot des Ordinariats kam in Wegfall“.

Dr. August von Schmieder – Er schätzte Josef
Schlicht in besonderem Maße und gewährte ihm viele Freiheiten für sein Schaffen
(Gemeindeverwaltung Steinach)
Schlicht sorgte auch für unfreiwilligen Humor, wenn er z.B. zu den großen Soireen im Schloss nur im Überzieher erschien. Als ihn die Schlossherrin Mary von Schmieder-Lang aufforderte, seinen Überzieher abzulegen, meinte er ganz betroffen, man sei doch hier nicht auf der Kegelbahn; man könnte also nicht in Hemdsärmeln sitzen. So wie er sich einen neuen Frack sparte, so kam er ein andermal in Gummischuhen, weil diese seiner Ansicht nach am besten zu den glänzenden Lackschuhen der übrigen vornehmen Gäste passten.
Schlichts politische Einstellung
Schlicht stand anfangs wohl dem Bayerischen Bauernbund nahe. Dr. Höpfl leitet dies aus den Unzuträglichkeiten mit Baron von Berchem ab, die bei Schlicht zu einer „Verbitterung gegen den Adel“ führte. Doch stand Schlicht nach Sigl mehr auf der Seite der Patrioten. Vom Bauernbund zog er sich wegen der „proletarischen“ Haltung des Bauernbündlers Wieland zurück.